Ein roter Strich Licht

Ein roter Strich Licht

Fitnessstudio. Sieben Uhr fünfzehn. Schon jetzt völlig fertig. Röchelnd lehne ich mich gegen eine Wand und lasse meine Blicke unkontrolliert durch das Studio fließen. Überall röchelnde Typen, die auch alle fertig sind. Warum mache ich das?

Da sehe ich ganz hinten am Horizont – wenigstens gibt es hier Fenster – einen kleinen, roten Strich Licht. Die Sonne geht auf und alle Anstrengung ist vergessen. Der Himmel färbt sich in einem Übergang von Rotorange zu Tiefblau in immer hellere und intensivere Tagfarben. Jetzt kann ich direkt reingucken. Ich kann die ganze Zeit mit voller Kraft in die Sonne gucken. Die Silhouetten der winterkahlen Bäume vor der Sonne, der frohe Nebel der langsam sichtbar wird und friedvoll aufsteigt – Gott ist das schön.

Dann muss ich weitermachen. Obere Brust am Turm. 12 Wiederholungen, drei Sätze. Völlig fertig will ich wieder in die Sonne gucken und auftanken. Doch die ist schon weitergezogen und mittlerweile ein perfekter Kreis am Horzizon, viel zu hell, um noch hineinzuschauen. Dann schaue ich eben daneben. Vögel fliegen am Himmel, die Bäume wiegen im Wind. Alles so wunderbar. Ich fühle mich wieder fit und so freudig wie lange nicht mehr an einem Montagmorgen um kurz nach viertel nach sieben.

Dann merke ich, ich sitze gleich den ganzen Tag drin und seh die Sonne nicht mehr. Jetzt röchel ich wieder.